Was tracke ich mit welchen Hilfsmitteln und wie werte ich meine Daten aus?
Gestern hat mich der igrowdigital-Leser Thomas Hoffman per Mail gefragt, welche Quantified Self Tools ich verwende und wie ich meine Daten auswerte. Ein ausführliche Antwort dazu erstelle ich derzeit mit dem mehrteiligen Self-Tracking Guide. Für Thomas und alle Anderen die nicht so lange warten wollen beschreibe ich hier schon mal grob mein aktuelles Self-Tracking Setup. Einfach ausgedrückt, sammle ich auf zwei verschiedene Arten meine Daten. Alles was mit Sensoren oder anderer Technik automatisch gemessen werden kann, erfasse ich regelmäßig und / oder kontinuierlich. Im Gegensatz dazu erfasse ich einige Werte die eine manuelle Messung erfordern nur in größeren Abständen als „Stichprobe“, je nachdem wie wichtig die Werte sind und wie wahrscheinlich es ist, dass sich signifikante Änderungen ergeben haben. Konkret handelt es sich bei den regelmäßigen erfassten Werten um Gewicht, Aktivität, Schlaf, Computernutzung und noch ein paar andere.
Nachdem ich Anfang des Jahres beschlossen hatte abzunehmen, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, mich wieder regelmäßig auf meine Withings Waage zu stellen. Ziel war es, durch die regelmäßige Konfrontation mit der Realität die notwendige Motivation aufzubauen, um etwas zu verändern, was übrigens auch sehr gut geklappt hat. Für mich persönlich wirkt sowohl die tägliche Auseinandersetzung mit dem Niveau der Werte beim Wiegen selbst (wobei ich die täglichen Schwankungen mit Gelassenheit betrachte), aber auch die gelegentliche Kontrolle des Trends mit Hilfe der Smartphone App kann große Motivation hervorrufen. Zur Aktivitätsmessung habe ich während der letzten 18 Monate meist das Basis Band, manchmal auch einen Fitbit Zip verwendet. Für die manuelle Aktivierung der Schlafmodus wie bei vielen anderen Trackern notwendig war ich meist zu faul, deshalb war das Basis Bands mit seiner automatischen Schlafmessung eine große Hilfe. Da ich mir schon vor drei Jahren angewöhnt hatte, viele Strecken zu Fuß zu gehen, hat sich mein Interesse mehr zum Schlaf verlagert, wo ich nach wie vor ein großes Potential zur Optimierung meines Wohlbefindens und meiner Leistungsfähigkeit sehe. Aktuell verzichte ich auf das Tragen des Basis Bands und die Schlafmessung und nutze stattdessen eine Pulsuhr vom Typ Polar V800 mit deren Hilfe ich mein Krafttraining, Laufen oder Rennradfahren protokolliere und dabei meine Herzfrequenz und meinen Erholungsstatus beobachte. Für die Schlafmessung hoffe ich zukünftig insbesondere auch auf in das Bett integrierbare Sensoren wie Beddit oder Withings Aura. Die erste Version von Beddit hat mich leider noch nicht überzeugt und vielleicht liefert ja auch schon bald das Wearable eine großen kalifornischen Computerherstellers die gewünschten Schlafdaten. Die Lösung von Basis ist jedenfalls noch nicht optimal, mangels einer offiziellen Schnittstelle lassen sich die Daten nur über Umwege herunterladen und eine Kontextanalyse ist aktuell auch nicht vom Hersteller vorgesehen. Daher konnte ich bisher nur meinen Schlafrhythmus optimieren (dazu bald mehr in einem extra Artikel), für das Hacking der Schlafqualität, z.B mit Nahrungsergänzungsmitteln suche ich noch eine passende Tracking-Lösung. Einen Überblick über meine Wochenarbeitszeit verschaffe ich mir mit RescueTime, welches protokolliert wie viele Stunden ich meine Computer beruflich und privat nutze und im Umkehrschluss eine Näherung dafür liefert, wie viel Zeit für Sozialleben und Aktivitäten fernab der Rechners bleiben. Wirklich aussagekräftig im Bezug auf Produktivität und Zieloreitnerung finde ich die Werte von RescueTime allerdings nicht, daher ist es für mich eher ein Backup Tool und ich habe eine eigene Lösung entwickelt.
Da Zeit meine wichtigste Ressource ist und mir daran gelegen ist, diese sinnvoll einzusetzen, führe ich in meinem Kalender genau Protokoll was ich mit meiner Zeit anfange. Allle Aktivitäten die mindestens 15 Minuten dauern trage ich deshalb in meinen Mac Kalender iCal und erhalte so einerseits direkt ein grafisches Feedback, anderseits auch durch die statistische Auswertung meiner Einträge. Wie das genau funktioniert und warum ich das mache erfahrt Ihr dann aber in einem Extra Artikel. Neben meiner Zeit ist mein Geld die zweite wichtige Ressource, die ich einsetzen kann um meine Ziele zu erreichen. Deshalb habe ich vor ein paar Monaten angefangen meine Ausgaben in einer Exceltabelle zu erfassen. Hier bin ich aber noch eher am Anfang der Entwicklung meines Systems und wenn ich mal Zeit habe, mache ich mir Gedanken wie ich die Zuordnung der Ausgaben zu Kategorien verbessere und Trendprognosen ableiten kann. Vorteilhaft daran ist, dass man das Finanztracking auch als Regulativ verwenden kann und wegen des Aufwand des Trackens oder des daraus entstehende Bewusstseins kleine, unnötige Ausgaben eher mal weglässt. Weniger aufwendig aber auch weniger wichtig ist dagegen die Erfassung der Luftqualität mit der vernetzten Wetterstation von Netatmo. Insbesondere im Winter Lüfte ich manchmal eher selten sodass der CO2 Gehalt in meiner Wohnung über das empfohlene Maß ansteigt. Dann erinnert mich die App von Netatmo daran mal eben Stoßzulüften. Tiefergehende Analysen habe ich mit den Daten (erfasst werden CO2 Gehalt, Lautstärke, Temperatur und Luftfeuchtigkeit in meiner Wohnung) bisher nicht angestellt. Mein System zur kontinuierlichen / automatischen Erfassung von Messwerten habe ich kürzlich um zwei weitere Sensoren erweitert. Meine neue elektrische Zahnbürste von Oral B verbindet sich über Bluetooth mit meinem Smartphone und liefert in einer App Statistiken zu meinem Putzverhalten und vieles andere mehr. Außerdem misst der Pflanzensensor von Koubachi wie gut es meine Balkonkräutern geht und erinnert mich ggf. daran diese zu Gießen oder zu Düngen. Das wars dann auch schon an kontinuierlich erfassten Messwerten 🙂 Falls jetzt der Eindruck entstanden sein sollte ich hätte den ganzen Tag nichts besseres zu tun als irgendwas zu messen, muss ich Euch enttäuschen. Das schöne an den Sensoren ist ja dass alles automatisch folgt und ich mich lediglich darum kümmere die Batterien alle paar Tage, Wochen oder Monate aufzuladen oder auszuwechseln. Lediglich das Protokollieren der Verwendung von Zeit und Geld nimmt täglich 5 bis 10 Minuten in Anspruch. Da das hieraus entstehende Bewusstsein jedoch auch viele Vorteile mit sich bringt, nehme ich den Aufwand gerne in Kauf.
Auch bei der Auswertung meiner Daten mag ich es schlank und Lösungs-orientiert. Zu Beginn meiner Fitbit-Karriere habe ich mir natürlich mehrmals täglich mein Aktivitätspensum vergegenwärtigt. Irgendwann entstand daraus die Regel keine motorisierten Verkehrsmittel zu verwenden, wenn ich die Strecke innerhalb von 20 Minuten zu Fuß erreichen kann und seither bin ich Wochenschnitt immer zwischen 60 und 80 Tausend Schritten. Auch die anderen Werte betrachte ich primär im Rahmen konkreter Probleme und da sind dann die Stichproben interessant, mit denen ich das Bild vervollständigen kann. Besonders lehrreich waren hier das Ernährungsprotokoll mit der App von MyFitnessPal (übrigens auch Quantified Self Deuthschland Sponsor – Danke! ). Als Flexiganer (flexibler Veganer) konnte ich damit durch Aufzeichnung meiner Ernährung über wenige Tage hinweg meine Protein-Zufuhr optimieren und ein besseres Gefühl dafür entwickeln, wie viel Kalorien ich über einen Tag hinweg zu mir nehme. Auch die regelmäßige Analyse meines Blutbilds beim Arzt war in diesem Zusammenhang aufschlussreich, hat sie doch ergeben dass meine Cholesterinwerte trotz oder eben genau wegen meiner High FAT Diät besser wurden. Spannend finde ich es auch regelmäßig ( ca. alle zwei Monate) meine Körpermaße wie Bauch-, Brust- und Oberarm-Umfang zu messen. Insbesondere wenn man wie ich als ehemaliger Workaholic eine Sportsucht entwickelt.. Körperhaltung mit dem Lumoback zu messen war auch ne interessante Sache – meine ehemals regelmäßig auftretenden Rückenschmerzen bin ich dann aber erst los geworden, als ich angefangen habe viel Sport zu machen und teilweise an einem Stehtisch arbeite. Genomanalyse mit 23andme hat in meinem Fall wenig sinnvolle Einsichten gebracht hat, dennoch sehe ich in dem Thema viel Potential bezüglich Prävention und denke darüber nach mein Genom von einem genaueren, teureren Anbieter analysieren zu lassen. Richtig spannend dagegen war die Messung meines Alkoholpegels mit einem Bluetooth Breathalyzer von BactTrack. Dadurch konnte ich einiges über die Reaktion meines Körpers auf Alkohol lernen und wurde zum Umdenken angeregt (mehr Whiskey, weniger Wein). Außerdem sollte meiner Meinung nach jeder der sich dauerhaft an der Grenze zwischen High Performance und Burnout bewegen möchte, regelmäßig seinen Blutdruck im Auge behalten. Wenn der Wert erst mal wieder im grünen Bereich ist, reicht es ja alle paar Monate zu messen 😉
Wie schon bei den automatisch erfassten Werten gilt auch bei den Stichproben dass ich Bezüge nur bei konkreten Anlässen herstelle. Also mal sehen ob sich die Körpermaße positiv verändern wenn schon das Gewicht trotz Diät und viel Sport nicht nach unten geht. Oder wie ich meine Schlafhygiene verändern muss um meinen Schlafrhythmus zu stabilisieren und eine höhere Schlafmenge zu erzielen. Auf TicTrac habe ich mir zusätzlich ein Dashboard eingerichtet auf dem viele Werte zusammengeführt werden was ja einerseits reizvoll ist. Auf der anderen Seite kann ich auch da nicht alle für mich persönlich wichtigen Werte aggregieren, weshalb es immer noch einfacher ist Trends und Zusammenhänge im Kopf oder durch Visualisierungen mit Excel Diagrammen zu erkennen. Hier könnte sich aber zum Glück schon bald einiges ändern. Schnittstellen zur Nutzung von Daten im individuellen Kontext werden ja immer populärer und Lösungen wie Apple Healthkit und Google Fit dürften für einiges Innovations-Potential bei der App-Entwicklung sorgen. Jenseits aller High Tech finde ich auch die Selbstreflektion mit Papier und Stift (in meinem Fall die digitale Variante mit Evernote) sinnvoll um Pläne zu schmieden und kontrollieren, oder die Ereignisse eines Tages zu überdenken. So habe ich mir zum Beispiel Anfang des Jahres für jeden Monat einen Bereich meines Lebens zur Selbstoptimierung vorgenommen und die Learnings, die ich auf dem Weg gemacht habe in mein Textdokument mit aufgenommen. Hat bei mir übrigens ganz gut funktioniert und ich würde das auf jeden Fall weiterempfehlen! So viel zu meiner Self-Tracking Praxis über die ich in den kommenden Wochen noch im Detail berichten werde. Weitere Fragen könnt Ihr gerne in den Kommentaren posten oder schaut mal auf einem Quantified Self Meetup vorbei. Da könnt Ihr alles rund um Self-Tracking mit erfahrenen Datensammlern besprechen 😉
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Diese Inhalte sind gut für Dich und Deine Gesundheit
Für das Messen Deiner Ausgaben gibt es eine Lösung: https://play.google.com/store/apps/details?id=at.markushi.expensemanager
Danke für den Hinweis! Ich plane längerfristig auch den Wechsel auf eine App um meine Finanzen zu tracken. Im Moment gehts aber noch darum Erfahrung mit dem Thema zu sammeln und die Anforderungen an das Tool zu ermitteln. Freu mich über weitere Empfehlungen. Gerne auch für iOS 😉
Und zur Zeiterfassung inklusive Sync to Google Calendar und NFC Funktionalität nutze ich https://play.google.com/store/apps/details?id=com.rauscha.apps.timesheet
Prima Artikel!
Wo gibt es denn das Gadget LumoBack hierzulande zu kaufen? Das Produkt wird zwar auf der von dir verlinkten Seite groß beworben, aber im Shop gibt es nur LumoLift 🙁
Tatsache. Ich hatte den LumoBack im Herbst 2012 auf der Website vorbestellt und im Januar 2013 erhalten. Scheinbar konzentriert sich das Unternehmen im Moment auf den Lift den ich auch spannender finde, da er sicher bequemer zu tragen ist. Der LumoBack ist hier im Shop von Wearable Technologies erhältlich https://www.wearable-technologies.com/store/lumobacktm-posture-sensor.html
Danke für den Tipp! Selbst dort scheitere ich am Versand nach Deutschland. Ich habe die Leute mal angeschrieben, mal schauen, ob da doch noch ‚was geht. Da ich’s etwas im Rücken habe, wäre das ein super Gadget für mich.
Hi Florian,
für wann planst du den Artikel über deine Zeit-Protokollierung? Trägst du alles manuell ein oder gibt es Möglichkeiten zur Automatisierung?
Danke für eine kurze Info!
Beste Grüße
Dennis
Hi Dennis, automatische Zeiterfassung geht nur im Bereich Deiner Aktivitäten mit Computern. Tools wie RescueTime können diese analysieren, allerdings weiß das Tool nicht an welchem Projekt Du arbeitest und kann Dir daher nur sagen wie viel zeit Du auf Facebook etc. verbringst. Wenn Du wirklich die Aktivitäten für verschiedene Projekte oder Lebensbereiche erfassen möchtest geht das nur manuell. Meine Strategie ist ein regelmäßiger Lebensstil, also nach Möglichkeit zur selben Zeit aufstehen, Sport machen, Mittagessen etc. Das ist einerseits eine gute Methode um den Alltag zu strukturieren wodurch man produktiver werden kann. Anderseits kann man für alle regelmäßigen Aktivitäten regelmäßige Termine im Kalender einplanen die sich automatisch wiederholen und muss dann nicht mehr soviel händisch eingeben. Der Rest ist dann wirklich manuelle Arbeit aber das lässt sich auch ganz gut als Methode zur Aufgabenplanung nutzen und wenn mal was länger gedauert lassen sich die Events im Kalender ja einfach per drag and drop etc. anpassen. Mach ich aber nur am Mac da die Eingabe auf mobilen Geräten zu umständlich ist. Wie genau ich das machte beschreibe ich sobald ich Zeit habe 😉