Seit bald zwei Jahren engagiere ich mich für die Quantified Self Bewegung und habe hierdurch viele interessante Menschen und Themen kennengelernt. Auch wenn unsere Aktivitäten von Seiten der Medien zu Beginn mit Skepsis betrachtet wurden und ehemalige Pharma-Lobbyisten gezielt Fehlinformationen verbreitet haben, hat sich die Situation zunehmend zum Positiven geändert – und dass die Presse mehr gefallen daran findet, über selbst-vermessende Freaks zu berichten als das Phänomen „Selbsterkenntnis durch Zahlen“ sachlich zu betrachten, ist zugleich schade aber auch verständlich.
Meine ersten Fitbits musste ich mir damals wie die anderen Anwender der ersten Stunde aus Amerika bestellen, was uns für einige Monate zu Exoten gemacht hat. Mittlerweile bieten diverse Hersteller vernetzte Schrittzähler auf dem Deutschen Markt und immer Menschen erfahren, dass ein besseres Wissen über sich selbst zu positiven Veränderungen und Verhaltensweisen führen kann. Die neusten Smartphone-Generationen nutzen die Daten ihrer Sensoren um vollautomatisch ein Aktivitätsprofil ihrer Besitzer zu erstellen und wissen, wie viel sich diese zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit motorisierten Verkehrsmitteln fortbewegen. Selbstvermessung ist auf dem Sprung in den Massenmarkt, die Preise für Sensoren fallen, immer mehr Daten sind vorhanden und das Interesse, diese zu nutzen wächst stetig.
In Deutschland wird dieser Trend aktuell überwiegend von den Anwendern selbst beflügelt. Manche Ärzte warnen noch immer zu unrecht vor möglichen Gefahren der Selbstvermessung und die Verschreibung von Apps auf Rezept wie in England üblich, ist in Deutschland noch nicht absehbar. Die Vordenker der medizinischen Communities sind sich dagegen einig, dass Quantified Self der Schlüssel zu einer gesünderen Lebensweise des Einzelnen aber auch zu einer besseren medizinischen Betreuung durch Ärzte und Fachpersonal ist. Der X-Prize für den Medical Tricoder ist in vollem Gange und vor wenigen Tagen endete eine Crowdfunding Kampagne bei der über 1,6 Millionen Dollar für ein Gerät gesammelt wurden, welches Menschen in ihrem zu Hause vollautomatisch medizinische Diagnosen liefern soll.
Bei näherem Betrachten erscheint das Phänomen Self-Tracking dann auch gar nicht mehr so befremdlich wie eine Studie über die Gewohnheiten der amerikanischen Bevölkerung erstmals gezeigt hat. Fast siebzig Prozent der Amerikaner erfassen und beobachten die Veränderung eines oder mehrerer Gesundheitswerte, wobei die Hälfte davon versucht, sich diese im Kopf zu merken. Fünfunddreißig Prozent der Befragten jedoch machen sich Notizen, sammeln Daten in Online-Profilen oder nutzen Sensoren und Apps und können ihre Gesundheit so besser nachvollziehen als diejenigen ohne Aufzeichnungen. Das Phänomen für welches sich die Besucher der Quantified Self Treffen auf der ganzen Welt interessieren ist ein ganz normales, das von der Mehrheit der amerikanischen Ärzte begrüßt wird, wie aus der Studie ebenfalls hervorgeht.
Möglicherweise sind uns Amerika’s Patienten und Ärzte hier etwas voraus, doch auch in Deutschland wachsen Verständnis und Interesse an der Selbstvermessung. Mittlerweile sind aktive Quantified Self Gruppen in vielen Städten entstanden und im August finden Treffen in Berlin, Hamburg, Köln und München statt. Die Menschen die mir durch die Quantified Self Bewegung begegnet sind, gehören zu den spannendsten und inspirierendsten, die ich kenne. Zum Austausch mit diesen Menschen, meinen Co-Organisatoren und mir möchte ich meine Leser deshalb herzlich einladen.
igrowdigital Newsletter
Diese Inhalte sind gut für Dich und Deine Gesundheit