Bereits unsere Eltern haben sich einen Tachometer an Ihre Fahrräder montiert und sich über die angezeigte Geschwindigkeit bei einer Bergabfahrt oder die Bewältigung einer langen Strecke gefreut. Das zugrundeliegende Motiv hat sich mit Zunahme der technischen Möglichkeiten weiterentwickelt und birgt ein enormes Potential für das menschliche Wohlbefinden. Heute tauschen sich unter der Gruppierung The Quantified Self Menschen aus, die durch Beobachtung ihrer Gesundheitswerte ihre Lebensqualität verbessern möchten. Hierzu zählen Fitnessbegeisterte, welche sich durch das Verwenden von Schrittzählern oder GPS Apps, in Verbindung mit der Messung der Herzfrequenz oder des Körpergewichts, zu regelmäßigem und belastungsoptimalen Training motivieren. Ebenso Teil der Gruppierung sind Patienten, die durch analytische Selbstbeobachtung Linderung für ihre, mit klassischen Behandlungsmethoden nicht therapierbaren Beschwerden erzielen. Hierdurch erhalten Hobby-Athleten und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen Zugang zu Methoden, welche bisher nur für Profisportler oder Nutznieser exklusiver medizinischer Betreuung verfügbar waren.
Erst Ende November fand in Amsterdam die Quantified Self Europa Konferenz statt, bei welcher sich 260 Menschen über ihre Erfahrungen ausgetauscht haben. Unter den Anwesenden waren Menschen, welche durch Selbstbeobachtung, Verhaltensänderung und Training Hautkrankheiten und Diabetes überwunden, Gewicht verloren oder Ihr körperliche Fitness für die Teilnahme an einem Iron Man Wettbewerb gesteigert haben. Diese positiven Aspekte der mit Quantified Self assoziierten Praktiken werden von der hiesigen Berichterstattung jedoch kaum zur Kenntnis genommen. Stattdessen konzentriert sich die Diskussion häufig auf die in Deutschland mit besonderer Sorge betrachteten Risiken bei der Verwendung personenbezogener Daten, und die Anhänger der Quantified Self Bewegung werden als weltfremde Techniknerds präsentiert. Diese Darstellung der sogenannten Self-Tracker in den deutschen Medien und die daraus resultierende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zeigen, wie innnovationsgehemmt ein Land, das einst von Denkern und Erfindern geprägt war, mittlerweile ist.
So fühlen sich die Onlinemagazine von „Die Welt“ und der „Berliner Morgenpost“ dazu berufen, ihre Leserschaft davor zu warnen, dass das Messen von Körperfunktionen süchtig machen kann. Der in seiner Vergangenheit als Kommunikationsexperte für die Pharmaindustrie tätige Autor des Artikels schildert den Einzelfall einer Person, welche täglich 40 verschiedene Werte erfasst und im Internet publiziert, um durch Metaanalysen Ihrer Langzeitstatistiken persönliche Zusammenhänge zu erkennen. Entgegen der Suggestion des Artikels beobachtet der durchschnittliche europäische Self-Tracker vier Körpermetriken und teilt diese nur selten und selektiv mit seinem sozialen Umfeld. Durch die Stilisierung eines Einzelfalls zur Norm erzeugt der zitierte Artikel einen irreführenden Eindruck der Self-Tracker als obsessiver Datensammler, welche sich durch Fehlinterpretation Ihrer Messwerte in einer narzisstischen Selbsttäuschung verlieren. Diese populistische Darstellung erzeugt ein negatives Bild der mit Quantified Self verbundenen Produkte und Methoden, und unterstützt beabsichtig oder unbeabsichtigt die Pharmaindustrie, welche die verantwortungsvoll mit Ihrer Gesundheit umgehenden Self-Tracker mit Skepsis betrachtet. In Amerika hingegen finanzieren Investoren den Hersteller eines EEG-Sensors, mit dessen Hilfe Patienten mit Schlafstörungen ohne Medikamente zu einem beschwerdefreien Schlafverhalten finden, mit einer Kapitalbasis von 24 Mio. US Dollar. In der dortigen Startup-Szene werden Produkte und Dienstleistungen aus den mit Quantified Self verwandten Märkten mobile Health und eHealth längst als lukrative Investitionen mit enormem Wachstumspotential gehandelt.
Durch moderne Softwareanwendungen und Sensoren, welche Vitalwerte wie Gewicht, Blutdruck oder Stimmung aufzeichnen, besteht erstmals die Möglichkeit, die Entwicklung dieser Parameter nachzuvollziehen und persönliche Einsichten auf Basis einer objektivierten Informationslage zu erlangen. In der aktuellen Phase befinden sich die Ansätze zur Verbesserung der persönlichen Lebensqualität durch analytische Selbstbeobachtung in einem Experimentierstadium, in welchem verschiedenste Konzepte von Pionieren getestet und erprobt werden. Das hierdurch entstehende Know How wird schon bald in Produkten der verwandten Marktsegemente Mobile- und eHealth ein enormes Wachstum beflügeln. Schon in wenigen Jahren wird perfektionierte Sensortechnik in Alltagsprodukte wie Smartphones, Uhren oder Kleidungsstücke Einzug erhalten und die Nutzer in einer immer hektischer und zugleich älter werdenden Gesellschaft vor gesundheitlichen Risiken bewahren.
Das Wissen über die Aufzeichung und Auswertung von Vitaltitätsdaten, welches das Umfeld der Quantified Self Community aktuell aufbaut, wird in in den Gesundheitsprodukten der Zukunft eine Schlüsselrolle spielen. Die Verarbeitung dieser Daten durch Algorithmen wird in diesen Produkten dem Endanwender Hilfestellungen ermöglichen, welche schon bald so selbstverständlich sein werden wie es die Produktempfehlungen großer Onlinehändler nach dem Motto „Kunden die dieses Produkt gekauft haben, kauften auch jenes“ bereits heute sind. Für den Nutzer ergeben sich hierdurch innovative Gesundheitsprodukte mit hoher Wirksamkeit.
Auch die von den Medien und Bürgern oftmals diskutierte Gefahr der Überwachung wird sich dann als hinfällig erweisen. Im Gegensatz zu den großen werbefinanzierten Diensten der Gegenwart wird durch zukünftige Geschäftsmodelle die Privatsphäre der Kunden ein fester Bestandteil hochwertiger digitaler Gesundheitsprodukte sein. Die Mitglieder der Quantified Self Community treiben diese Entwicklung aktiv voran und laden sie bereits heute dazu ein, an den Vorteilen einer bewussten und gesunden Lebensweise teilzuhaben.
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