Seit Jahren ist Apple der erfolgreichste Anbieter von Smartwatches. Kein anderer Hersteller kann mit der Leistung der Apple Watch oder den verkauften Stückzahlen mithalten. Dabei setzt Apple auf Kontinuität und die evolutionäre Optimierung seiner Smartwatch. Das Design der Apple Watch bleibt weitgehend unverändert, stattdessen gibt es viele, meist kleine, technische Verbesserungen. So auch in diesem Jahr, mit neuen Sensoren, einem leistungsfähigeren Prozessor und einem verbesserten Display. Die größte Neuerung der Apple Watch Series 6 ist die Messung der Blutsauerstoffsättigung (SpO2). Andere Hersteller haben diese Funktion schon länger integriert oder ebenfalls kürzlich Geräte mit dem Messwert vorgestellt. Entscheidend ist jedoch wie gut das Feature in der Praxis funktioniert und da hat sich Apple einige Mühe gegeben.
Neue Sensoren zur Messung der Blutsauerstoffsättigung
Um die neue Messung zu ermöglichen, hat Apple die Konfiguration und Anordnung der optischen Sensoren überarbeitet. Die grünen LEDs zur Messung des Blutflusses wurden neu angeordnet und erstmals um rote und infrarote LED’s sowie neue optische Sensoren für die SpO2 Messung ergänzt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. In meinen Tests erhalte ich plausible Werte, die kaum von den Messwerten eines speziellen Messgeräts für die Blutsauerstoffsättigung abweichen. Selbstverständlich fällt die Genauigkeit je nach Nutzer unterschiedlich aus. Behaarung, Hautpigmentierung und Körperfett sind nur drei der Faktoren, welche die Genauigkeit optischer Sensoren beeinflussen. Manche Tester hatten deshalb auch mehr Probleme. Vor allem gelang es ihnen häufig nicht, zuverlässig Messwerte zu gewinnen, sodass die Anzeige leer blieb. Die Messung erfolgt nämlich nicht kontinuierlich, sondern erst bei manueller Aktivierung.
Um eine Messung durchzuführen, ist es notwendig, den Arm für 15 Sekunden lang flach abzulegen. Beachte ich diese Regel, erhalte ich in weit über 90 % der Versuche ein Ergebnis. Andere Berichte kommen ebenfalls zu einem überwiegend positiven Urteil. Außerdem ist zu erwarten, dass Apple die Algorithmen weiter optimiert und die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Messung zukünftig noch zunimmt. Eine Messung findet übrigens nicht nur bei manueller Aktivierung, sondern auch automatisch im Hintergrund statt. Gemessen wird tagsüber, wenn sich die Hand in Ruhe befindet, wie auch nachts, wenn die Apple Watch 6 zum Schlafen getragen wird.
SPO2 Messung ist Lifestyle-Funktion ohne medizinische Zertifizierung
Wie die meisten anderen Hersteller hat Apple die SpO2 Messung nicht medizinisch zertifizieren lassen, es handelt sich also um eine Lifestyle-Funktion. Aktuell ist Withings mit seiner ScanWatch der einzige Hersteller, der mit einer medizinischen Genauigkeit wirbt. Der Verzicht auf eine Zertifizierung bei Apple muss jedoch nicht zwangsläufig durch mangelnde Genauigkeit begründet sein. Schließlich sind Zertifizierungsverfahren langwierig und müssen für verschiedene Regionen in separaten Prozessen durchlaufen werden. Durch den Verzicht auf die Zertifizierung kann Apple die Funktion weltweit einführen und sich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt um eine Zertifizierung bemühen. Ob und wann dies passieren wird, steht natürlich in den Sternen. Wie alle Wearables setzt Apple für die Messung der Blutsauerstoffsättigung auf ein relativ neues Verfahren, bei dem die Reflexion des Lichts verschiedener Wellenlängen gemessen wird. Das klassische Verfahren, das in Medizingeräten eingesetzt wird, basiert hingegen auf der Transmission, also der Lichtdurchlässigkeit der Fingerkuppe. Offensichtlich ist dieses nicht für Smartwatches geeignet, weshalb die Reflexionsmessung hier zum Standard wird.
Nutzen der Blutsauerstoffmessung in der Apple Watch Series 6
Bei aller Begeisterung für technische Neuerungen stellt sich dennoch die Frage, welchen Nutzen die SPO2 Messung stiftet. Bei gesunden Menschen hat die Blutsauerstoffsättigung nur eine begrenzte Bedeutung und wird von den meisten Konsumenten kaum verstanden. Normale Werte liegen zwischen 95 und 99 und schwanken in diesem Bereich in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren. So ist es ganz normal, wenn die Blutsauerstoffsättigung unmittelbar nach körperlicher Belastung um einige Prozentpunkte niedriger liegt als in Ruhe. Durchgehend niedrigere Werte hingegen erhalten Patienten mit einer Erkrankung der Atemwege. Wer aus medizinischen Gründen seine Blutsauerstoffsättigung überwachen möchte, braucht jedoch nicht unbedingt eine Apple Watch, sondern kann dies mit einem für ca. 30€ erhältlichen Messgerät* erledigen. Eine Integration in die Apple Watch macht die Blutsauerstoffsättigung jedoch besser verfügbar, gerade auch da automatisiert im Hintergrund Messwerte erhoben werden. Daher dürfte es nicht lange dauern, bis uns Apple Geschichten von Patienten und ihrer Nutzung der Apple Watch 6 präsentiert.
Außerdem dürfte im Covid-Jahr das Interesse an dem Biomarker massiv gestiegen sein und einige Nutzer darauf hoffen, ein Warnsystem für eine Infektion zu erhalten. Völlig von der Hand zu weisen ist das nicht. Allerdings bedeuten automatische Messungen im Hintergrund nicht, dass eine automatische Warnung ausgelöst wird. Aktuell gibt es keine Funktion, um Warnungen bei auffälligen Werten zu aktivieren. Bei der Pulsmessung hat Apple dies bereits vor Jahren implementiert. Sollte die Genauigkeit der SPO2 Messung dies zulassen, wäre eine entsprechende zukünftig Funktion denkbar. Spannend für Athleten hingegen ist ein zweiter Marker im Zusammenhang mit dem Atemsystem. Bei sportlichen Aktivitäten berechnet die Apple Watch (auch ältere Modelle) den Wert VO2max, welcher für die Sauerstoffaufnahmefähigkeit Eures Bluts steht. Regelmäßige Ausdauersportler erzielen höhere Werte und können mit dem Parameter ihre Leistungsfähigkeit einschätzen.
Weitere Verbesserungen der Apple Watch Series 6
Neben der SpO2 Messung gibt es viele weitere Verbesserungen, die die Series 6 zur besten aktuell erhältlichen Smartwatch machen. So ist das Display im Always-on Modus heller geworden. Laut Apple ist es im Freien bis zu 2,5 mal heller, wenn das Handgelenk unten ist. Alpin-Sportler freuen sich darüber, dass der Höhenmesser jetzt permanent Daten erfasst, anders als bei den Vorgängern, bei denen nur gezielte Einzelmessungen möglich waren. Neuigkeiten gibt es auch beim integrierten S6 Chip der die Apple Watch befeuert. Dieser ist laut Apple um 20 % schneller als die fünfte Generation, wobei man im Alltag kaum einen Unterschied bemerken dürfte. Neu ist, dass die Series 6 mit 5 GHz WLAN Netzwerken kommuniziert und Apples neuen Breitband Chip U1 verbaut hat. Dieser kommt aktuell noch nicht zum Einsatz, dürfte zukünftig jedoch viele spannende Funktionen ermöglichen. So erlaubt die Technologie eine Ortung im Raum. Wer seine Apple Watch verlegt hat, könnte dank des U1 Chips auf dem Smartphone sehen, wo sie sich befindet. Außerdem könnte der Chip zukünftig die Übertragung von Daten erlauben und zum Beispiel auch die Funktion eines Autoschlüssels übernehmen. Weiterhin hat Apple auch die Ladezeit für die Series 6 verkürzt. Nach einer Stunde ist die Smartwatch zu 80 % geladen und die 100 % sind laut Apple nach 90 Minuten erreicht. Schon von Vorgängermodellen bekannt und weiterhin enthalten sind das EKG und der magnetische Kompass der Series 5.
Schlafmessung mit der Apple Watch 6
Wer gehofft hat, die Apple Watch als Schlaf-Tracker einsetzen zu können, könnte ev. enttäuscht sein. Apple wählt einen anderen Ansatz als die meisten konkurrierenden Geräte und setzt vor allem auf das Thema Schlafhygiene und Routinebildung. So sieht das Konzept von Apple vor, dass die Schlafmessung nur im Schlafmodus von iPhone und Apple Watch funktioniert. Hier ist entweder eine manuelle Aktivierung notwendig oder man wählt ein Zeitfenster, in dem der Schlafmodus automatisch aktiviert wird. Im Schlafmodus wird das Display der Apple Watch abgedunkelt und gesperrt, ähnliches gilt für das iPhone. Dies führt dazu, dass man bei automatisiertem Zeitfenster seine Geräte nicht mehr wie gewohnt verwenden kann, sondern während des Schlafmodus durch eine zusätzliche Bestätigung freischalten muss. Dies erzeugt zumindest eine kleine Hürde gegenüber dem Freischalten des iPhones und könnte so helfen, das Gerät aus der Hand zu legen.
Die Schlafmessung selbst ist unspektakulär. Gemessen werden nur die im Bett verbrachte Zeit und die gesamte Schlafdauer, welche Leicht-, REM- und Tiefschlaf zusammenfasst. Eine Unterteilung in Schlafstadien wie bei den meisten Wettbewerbern findet also nicht statt. Hierfür gibt es gute Gründe, dann eine exakte Ermittlung der unterschiedlichen Schlafphasen ist ohne Messung der Hirnströme nicht möglich und die Angaben der Wettbewerber suggerieren eine Genauigkeit, die nicht vorhanden ist. Diese nutzen die Daten der Sensoren am Handgelenk, um über Algorithmen zu jedem Zeitpunkt das Schlafstadium abzuschätzen. Dabei erreichen sie Genauigkeiten von bestenfalls 60 -70 % was die Kritik von Schlafmedizinern provoziert. Apple verzichtet daher ganz auf entsprechende Zahlentricks und legt den Fokus darauf das Bewusstsein für die Schlafdauer zu schärfen. Angezeigt wird dazu die durchschnittliche Schlafdauer der letzten Tage und der aktuelle Trend bezüglich Zu- oder Abnahme der Schlafdauer.
Außerdem verzichtet Apple auch auf Parameter wie die Schlafeffizienz als Kennzahl für die Tiefe des Schlafs und auf eine Kennzahl zum Erholungsstatus. Letzteres ist schade, da mit dem optischen Sensor Ruhepuls und Herzratenvariabilität gemessen werden, welche einen Einblick in den Zustand des autonomen Nervensystems ermöglichen. Andere Hersteller haben hier bereits interessante Konzepte, die den Zusammenhang zwischen der Belastung am Tag und der nächtlichen Erholung verdeutlichen. Hervorheben möchte ich den Ring von Oura, welcher eine hervorragende Ergänzung zur Apple Watch darstellt. Dieser ist eines der besten Hilfsmittel, um Schlaf und Entspannung zu fördern und ist auch für stilbewusste Nutzer geeignet. Auch in Anbetracht der kurzen Batterielaufzeit der Apple Watch ist der modische Tracker von Oura die ideale Ergänzung, die es erlaubt, die Watch entspannt aufzuladen. Der Ring von Oura misst übrigens auch Euren Mittagsschlaf, was bei der Apple Watch die manuelle Aktivierung des Schlafmodus voraussetzt und daher in der Praxis oft vergessen werden dürfte. Alternativ lässt sich die Schlafmessung der Apple Watch mit Apps von Drittanbietern aufbohren. In vergangenen Tests konnten Apps wie Autosleep bei der Genauigkeit der Messwerte jedoch nicht überzeugen.
Unterschied zur Apple Watch SE und Apple Watch 3
Mit der Einführung der Apple Watch SE und der weiterhin erhältlichen Series 3 ist Apples Smartwatch-Sortiment breiter als je zuvor. Dabei übernimmt die Apple Watch 3 die Rolle des Einstiegsmodells, verzichtet auf das fast randlose Display und muss mit einem Chip der dritten Generation vorlieb nehmen. Die Apple Watch SE hat das um 30 % größere Display, welches aber wie bei der Series 3 keinen Always-On Modus beherrscht, sondern nur beim Drehen des Handgelenks aufgeweckt wird. Dafür punktet die SE mit einem Chip der fünften Generation welcher doppelt so schnell arbeitet, wie der in der Series 3 verbaute. Damit ist man auch für die Zukunft bestens gerüstet, sollte das Apple Watch Betriebssystem leistungshungriger werden. Außerdem bietet die Apple Watch SE einen magnetischen Kompass und den permanent aktiven Höhenmesser. Der Series 6 vorbehalten bleiben EKG und SpO2 Messung, wer also diese Gesundheitsfunktionen möchte, kommt nicht am Topmodell vorbei.
Interessenten der Apple Watch SE sollten berücksichtigen, dass deren Prozessor die gleiche Leistung besitzt, wie der in der Series 4 verbaute Chip. Daher ist eine gebrauchte Series 4 eine gute Wahl für Alle die statt dem Kompass und permanenten Höhenmesser der SE lieber ein integriertes EKG möchten. Einen Vergleich der Features der aktuellen Modelle hat Apple auf dieser Website veröffentlicht. Dabei stellt die Apple Watch 6 fraglos die Spitze des aktuellen Smartwatch Markt dar und bietet die größte Auswahl an Materialien und Farben.
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